Kapitel 6 La Merde du Roi

Der neue Lehrling des Genies



Ich soll die Scheißekübel und Pisseeimer nicht mehr anrühren und lesen lernen. Ich! Ich soll auch lernen, mit Besteck zu essen, und bei feinen Leuten in Stellung gehen. Bei den feinsten: am Königlichen Hof. Der Maitre hat mich nach unserem Gespräch sofort neu eingekleidet. Die neuen Kleider kratzen nicht auf der Haut. Ich darf sie nicht verderben und nicht mehr in den Keller gehen. Von Roman und den anderen soll ich mich fortan fernhalten.

Ich schaue mich in der Kammer unter dem Dach um, die der Maitre mir zugewiesen hat. Sie hat ein Fenster. Es besteht aus Butzenscheiben, und man kann es sogar öffnen. Von der Straße riecht es nach geräuchertem Fisch, gebratenen Würsten und Pfannkuchen. Es ist Markttag, und die Marketender haben ihre Verkaufsstände schon aufgebaut, die Imbissverkäufer brutzeln ihre Köstlichkeiten.

Ich habe Hunger. Ich habe die erste Nacht meines Lebens in einem richtigen Bett geschlafen. Sogar ein Nachthemd habe ich an! Ich ziehe es aus, lege es sorgsam gefaltet auf die feinen Kleider, die ich auf Geheiß des Maitres gestern Abend noch anprobieren musste und die ich ehrfürchtig und akkurat auf der Truhe neben dem Bett gestapelt habe.

Man kann nicht sagen, dass ich gut geschlafen hätte. Zu aufgeregt war ich, und zu weich waren die Füllen, auf die der Maitre mich gebettet hat. Ich bin es nicht gewohnt, in meiner Lagerstatt zu versinken. Unruhig wälzte ich mich zwischen Laken und Decke. Mir fehlte das Schnarchen meiner Gefährten. Mir fehlte das gelegentliche nächtliche Fluchen und Schlagen nach Flöhen und Mücken.

Aus alter Gewohnheit untersuche ich meinen nackten Körper auf Wanzenbisse. Kein einziger! Unter dem Fenster steht ein kleiner Tisch mit einer Schüssel und einem Krug mit Wasser. Daneben liegt Seife. Reinlichkeit hat der Maitre uns allen beigebracht. Ich wasche mich sorgfältig und benutze das blütenweiße Handtuch, das ebenfalls bereitliegt. Ich habe es ganz für mich allein!

Ich bin unschlüssig, was nun zu tun ist. Die Sonne steht schon auf Vormittag. Ich habe in den Tag hineingepennt, niemand hat mich geweckt. Roman und die anderen dürften ihre erste Tour schon längst hinter sich gebracht haben und nun draußen vor den Stadttoren die Scheiße ablagern, bis sie als Dünger brauchbar ist, und die Pissebottiche bei den Gerbern am Fluss abgeliefert haben.

Mir fällt ein, wie die Leute in der Stadt uns spöttisch nennen: „Goldgräber“. Ja, wir machen aus Scheiße Gold, und der Maitre verdient gut daran; ein einziger Blick in diese Kammer reicht, um das zu bestätigen. An der Wand, gegenüber dem Fenster, hängt sogar ein Bild. Ich trete näher, um es zu betrachten.

Das Gemälde ist nicht groß, aber mit Öl gemalt und deshalb wohl teuer, so viel kann ich beurteilen, auch wenn ich noch nicht viele Bilder gesehen habe, eigentlich nur in Kirchen. Dieses hier zeigt weder Christus noch ein Kreuz, nur eine Frau. Ich trete noch näher an die Wand, um Einzelheiten erkennen zu können.

Schön ist sie nicht, diese Frau, aber von hohem Stand, das ist klar. Ich erkenne das nicht nur an ihrer Kleidung aus Seide und Brokat, sondern vor allem an ihrem hochmütigen Lächeln. Sie schaut mich direkt an, beunruhigend vertraut. Ihr Haar ist so strohblond wie meines, ihr Scheitel ist von einem Diadem gekrönt. Sie trägt viel Schmuck; um den Hals eine Perlenkette, um beide Handgelenke goldene Armbänder. Jeden ihrer Finger umfasst ein Ring, mit Edelsteinen besetzt.

Diese Hände haben niemals gearbeitet, das kann man auf den ersten Blick sehen. Schon das Halten eines Weinkelches dürfte sich für ihre Besitzerin schwierig gestaltet haben, allzu nahe kommen sich die ganzen Diamanten, Smaragde und Rubine an ihren Fingergelenken.

Sie hat die Hände vor der Taille gefaltet. Um ihre Schultern ist ein Hermelinfell drapiert. Dies war – ist? – eine Fürstin, vielleicht sogar eine Königin, so viel ist klar. Warum kommt sie mir so bekannt vor? Ich habe nie in solchen Kreisen verkehrt.   

Während ich mich dem Gemälde neugierig nähere, donnert es draußen. Merkwürdig: Der Tag schien klar, kein Gewitter im Anzug. Ich gehe zum Fenster und schaue auf den Marktplatz.

Dort ist heller Aufruhr ausgebrochen. In der Mitte des Platzes klafft ein kapitaler Krater. Mehrere Verkaufsstände brennen, in sie ist ein Gespann hineingefahren, das ebenfalls in Flammen steht. Ein Mann wälzt sich am Boden, er schreit und versucht den Brand seiner Kleidung zu ersticken. Um ihn liegen die Scherben geborstener Töpferware, eine Frau kniet daneben und bekreuzigt sich.

Männer haben Eimer ergriffen und bilden eine lange Kette zum Stadtbrunnen, um die Feuersbrunst zu löschen, die sich gierig verbreitet, vom Planendach eines Marktstands zum anderen springt, ausgestellte Linnentücher und Wollknäuel im Nu verzehrt, Würste und Speckseiten verkohlt, Heuballen entzündet, auf denen Bauern Gemüse und Eier feilboten.

Allerorten Geschrei und Gejammer. Menschen rennen durcheinander, versuchen Reste ihrer Ware in Sicherheit zu bringen, stürzen sich in die Flammen, um Kinder zu retten, Esel und Pferde loszubinden – oder schnell noch zu klauen, was zu plündern ist.

Wo ist die Brandwache? Was tun die Gendarmen? Kein Eingriff der Staatsmacht ist erkennbar. Nur von den Türmen der Kathedrale läuten nun die Glocken Sturm, um den Rest der Stadt zu warnen.

Ich werfe mir die neuen Kleider über und mache mich zur Flucht bereit. Was, wenn die Flammen auf das Haus des Maitres übergreifen? Es ist gemauert, ja, als eines der wenigen Privatgebäude in der Stadt. Aber mit Stadtbränden ist nicht zu spaßen, sie können sich rasend schnell verbreiten.

Noch heute reden die Leute von der Feuersbrunst, die die Thronbesteigung unseres Königs einst begleitete. Er hatte zur Illumination des historischen Ereignisses eines seiner geliebten Feuerwerke abbrennen lassen und die Hälfte der Stadt in Schutt und Asche gelegt. Es heißt, er habe damals auf den Zinnen seines Schlosses gestanden und dankbar zur Stadt hinuntergewinkt, mit Tränen der Rührung in den Augen, weil seine Untertanen sein beginnendes Regnum mit Freudenfeuern feierten.

Ich öffne die Tür und stürze auf die Treppe, auf der die Magd mir begegnet. „Schnell“, ruft sie aufgelöst, „auf den Hof! Der Maitre wartet schon in der Kutsche!“

Ich steige eilig neben dem Maitre ein, das erste Mal. Die Kutsche hat gepolsterte Sitze. Ich vergesse trotz aller Aufregung nicht, meinen Meister mit demutsvoll geneigtem Kopf zu grüßen. Er nickt mir zu. „Gut geschlafen? Es geht früher los, als ich dachte. Wir werden nicht mehr viel Zeit haben, dich vorzubereiten. Kanzler Marchand hat nach uns geschickt.“

Der Edle Marchand, das wusste ich, war schon seit 16 Jahren Kanzler des Königs. Manche sagten, seine Zeit sei um, er müsse nach so vielen Jahren nun Platz machen für neue Ideen. Andere behaupteten, ohne den Kanzler hätte der König sich überhaupt nicht so lange an der Macht halten können. Ich habe dazu keine Meinung. Es ist mir nicht beigebracht worden, eine Meinung zu haben. Für mich zählt, was der Maitre sagt. Sonst nichts.

Le Maitre sagt: „Bist du gewaschen? Hast du dir die Zähne geputzt? Bei Hofe stinken zwar viele aus dem Mund, aber der Kanzler nicht. Er wird dich genau begutachten wollen. Sprich nur, wenn du gefragt wirst. Gib dann kurz Antwort. Und leite sie stets mit ‚Euer Gnaden‘ oder ‚Sire‘ ein. Setz dich nicht unaufgefordert irgendwo hin. Halte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und stehe gerade, aber nicht aufrecht. Halte deinen Kopf immer gesenkt und schaue dem Kanzler nicht in die Augen.“

Der Maitre wirft mir einen prüfenden Blick zu. „Und vor allem: Denke immer daran, wem du dies alles zu verdanken hast.“ Er schaut wieder nach vorne, ins Leere, und streichelt den elfenbeinernen Knauf seines Gehstocks, den er zwischen seinen Knien aufgepflanzt hat.

Ich nicke eilfertig. Aber dann muss doch etwas aus mir heraus. „Maitre“, beginne ich schüchtern. – „Ja?“ – „Was ist mit den anderen? Mit Roman und der ganzen Mannschaft? Sind sie in Sicherheit? Wird das Feuer Euer Haus nicht verzehren?“

Le Maitre wendet sich mir zu, während der Kutscher die Rappen schon antreibt und wir in den Rücksitz der Kutsche gedrückt werden. Dann streicht er mir über den Schopf. Wahrhaftig, der Maitre fasst mich an! „Es ist recht von dir, an deine Gefährten zu denken. Sie sind in Sicherheit. Schau hinaus!“

Er weist aus dem Fenster. Während wir den gewundenen Weg hinauf zum Schloss nehmen, passiert uns der Pumpenwagen der Brandwache. „Sie werden dafür sorgen, dass die Häuser der Reichen nicht in Gefahr geraten, zuerst das unsrige“, sagt der Maitre. „Auf dem Markt freilich und vielleicht auch in den Holzbaracken der Armenviertel wird wohl nicht viel zu retten sein. Und nun mach‘ dir nicht so viele Gedanken, sondern vertraue auf mich. Vor dir liegt ein neues Leben.“

Ein neues Leben. Ich fand mein altes nicht schlecht. Es bot Obdach, Brot und Sicherheit. Was nun kommt, weiß ich nicht.

Wir fahren durch das Tor des Schlosshofs. Der Maitre hält den Soldaten in den Wachhäuschen beiderseits der Zugbrücke nur seinen Spazierstockknauf aus dem Fenster entgegen. Wir dürfen ohne Halt oder Kontrolle passieren. Die Kutsche hält im Hof, und wir stehen vor einem Haufen Scheiße. Taubenscheiße. Sie überkrustet den Boden und türmt sich auf einem Fundament, aus dem sich der halb fertige Leib einer kolossalen Pferdestatue erhebt. 

Wir steigen aus. Es stinkt. Mir fällt erstmals auf, dass Roman, die anderen und ich nur in der Stadt die Sickergruben leeren, nie beim Schloss. Wo die hier wohl alle hinpissen und -kacken? Gibt es hier keine „Goldgräber“ wie uns, die die adligen Hinterlassenschaften beseitigen? Der penetrante Gestank deutet darauf hin, dass dies nicht der Fall ist.

Die Treppe, die zum Hauptportal des Schlosses führt, ist allerdings sauber, aus Marmor, steil und ehrfurchtgebietend. Sie weist nach jeweils zehn Stufen – ich zähle genau mit, lesen kann ich nicht, aber rechnen schon, jedenfalls bis hundert oder so – Absätze auf, mit steinernen Ruhebänken versehen. Sind der König und sein Gefolge nicht gut zu Fuß? Müssen sie nach zehn Stufen schon verschnaufen? Warum bauen sie dann so steile Treppen?

Hinter jeder Bank ist eine Balustrade, auf der Büsten aufgestellt sind (ich kenne das Wort dafür noch nicht, aber der Maitre bringt es mir später beim Hinausgehen bei). Also so Köpfe, darunter nur noch ein bisschen Schulter. Die sehen alle gleich aus, immer dasselbe Gesicht. Das des Königs, nehme ich an. Er hat so eine Art Lappen auf dem Kopf, der zu beiden Seiten und hinten lang herunterhängt und sich kräuselt. Ich kann mich auch täuschen, ist ja alles nur aus Stein („Gips“, korrigiert der Maitre mich später).

Dann die Tür. Die Pforte. Das Portal. Zu beiden Seiten stehen wieder Soldaten, aber diese armen Kerle haben kein Häuschen wie die Wachen an der Zugbrücke. Sie stehen in der Sonne und schwitzen; man kann das genau sehen: Die Schweißperlen rinnen ihnen von der Stirn in die Augen, sie müssen zwinkern, aber abwischen dürfen sie sie offenbar nicht. Sie stehen da wie die Ölgötzen, schauen uns nicht an, halten zwei Hellebarden vor der Pforte gekreuzt, aber heben die Waffen sofort an, sowie der Maitre vor ihnen steht.

Die zweiflüglige Tür schwingt nach innen. Wir treten ein. Es ist kühl. Das ist angenehm. Aber es stinkt schon wieder. Ehrlich gesagt: wie im Schweinestall, schlechter als bei uns im Schlafkeller. Der Maitre tupft sein Riechtuch an die Nase. Ein Typ in Uniform ist vor uns aufgekreuzt, aber ein Soldat ist er wohl nicht. Waffen trägt er jedenfalls keine, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn jederzeit aufs Kreuz legen könnte.

„Werter Maitre, Le Chancelier lässt Euch wie immer herzlich bei Hofe willkommen heißen und bittet Euch, sofern es Euch nicht inkommodiert, mir unverzüglich mitsamt Eurer“ – indignierter Seitenblick auf mich – „äh, Entourage in die Gemächer des Geheimkabinetts zu folgen“, sagt der Lakai.

Wir latschen durch endlose Marmorflure. Sie sind düster, schlecht beleuchtet und mies belüftet. Es stinkt immer noch. Hinter einer Säule mit Engelchen am Kapitell höre ich es plätschern. Kurz darauf tritt ein Livrierter hinter seinem Pinkel-Versteck hervor und richtet sich den Hosenbund.

Ich bin viel gewohnt, ich karre ständig Pisse und Scheiße. Aber hier, in den feinsten Kreisen der Gesellschaft, hätte ich etwas anderes erwartet. Andererseits: Wer bin ich schon, dass ich vom Königsschloss überhaupt etwas erwarte? Allein dass ich hier bin, ist ein Wunder.

Der Kanzler hat wenig Zeit für uns. Ein feiner Mann ist das, parfümiert und sauber. Aber er wirkt fahrig, hat wohl ganz andere Interessen als unseren Besuch. Er behandelt den Maitre sogar ziemlich von oben herab, so etwas hätte ich nie für möglich gehalten. Irgendetwas Bedrohliches ist passiert, der Kanzler hat dringende Staatsgeschäfte zu erledigen. Le Maitre zeigt Verständnis.

Die Audienz ist kurz. Ich weiß nicht, wie wir danach letztlich im Laboratorium von Manacardi angekommen sind. Zu viele Stiegen, zu viele Winkel, zu viele Gemächer und Flure, zu viele Lakaien, die uns den Weg weisen, jeder offenbar immer nur für ein Geschoss oder einen Trakt zuständig.

Nun stehen der Maitre und ich vor der lebenden Legende, dem Großmeister der Weißen Magie, dem Universalgenie und Gelehrten; Meistermaler, Erfinder, Konstrukteur, Visionär, Baumeister: Artobaldo Manacardi. Er sieht erbärmlich aus.

Manacardi, eine durchweg ungepflegte Erscheinung, winkt uns unwirsch herein, nachdem wir höflich zunächst in der Türe stehen geblieben sind. Wir treten näher. Der Hofalchimist sitzt hinter einem großen Eichentisch in einem Lehnstuhl. Der gesamte Tisch ist mit Skizzen und Modellen übersät. Ihr Urheber hat seinen wohl einen Meter langen, verfilzten Bart irgendwo dazwischen ausgebreitet.

Manacardi ist ein bedeutender Mann, das ist bekannt. Aber auch er stinkt, wie dieses gesamte Schloss. Er riecht säuerlich, nach Wein und Alter. Ich schätze den Gelehrten auf mindestens 70 Jahre. Er blickt uns gleichwohl aus hellwachen Augen an, um die sich ein feines Faltengeflecht ausgebreitet hat, als ob eine Spinne ihr Netz gezogen hätte.

„Ah, der Maitre. Ich grüße Euch“, sagt Manacardi. „Ihr seid in Begleitung, wie ich sehe. Darf ich fragen…?“

Der Maitre schneidet ihm das Wort ab: „Was uns zu Euch führt? Staatsgeschäfte, verehrter Maestro. Wie Ihr sicherlich wisst, kommen sie mit großer Dringlichkeit auf das Königreich zu – mit Reitern und Kanonen.“ Der Maitre entfaltet ein Schriftstück, das er aus seiner Überjacke gezogen hat. Mir fällt ein beeindruckendes Siegel an dem Dokument auf.

„Wie Ihr, geschätzter Meister, aus dieser Ordre des Kanzlers Seiner Majestät unschwer entnehmen könnt, bringe ich Euch Euren neuen Gehilfen. Er ist ein heller Kopf, gelehrig, diensteifrig, gehorsam und verschwiegen. Mit einem Wort: für Eure Zwecke bestens geeignet. Ich hörte, es gibt eine Vakanz?“

„In der Tat“, entgegnet Manacardi und richtet seinen scharfen Blick auf mich. „Nicht jeder meiner bisherigen Gehilfen zeigte sich meinen Flugexperimenten gewachsen.“

„Kein einziger, soweit mir bekannt ist“, erwidert der Maitre und fügt hinzu: „Mein junger Schützling hier…“, er schiebt mich näher an Manacardis Schreibtisch heran, so dass ich dem Gelehrten direkt unter die Augen treten muss, während ich die meinen selbstverständlich niederschlage, „Dieser vielversprechende Bursche hier ist nicht für die Eroberung des Luftraums vorgesehen. Derartige Experimente sind sogar ausdrücklich ausgeschlossen, wie der Kanzler zu verfügen geruhte; zweiter Absatz der Ordre, wenn Ihr Euch die Mühe machen wollt.“

Der Maitre pocht auf das Papier, das er auf den Tisch gelegt hat, teils über den Bart des Hofalchimisten ausgebreitet. Kleines Getier, das in Manacardis Mannespracht aufgeschreckt wurde, krabbelt über die eng beschriebenen Zeilen.

Der Gelehrte wirft mir einen misstrauischen Blick zu und studiert das Dokument. „Hm“ … „Hmm“ … „Hmmm“. Während die Augen des Wissenschaftlers über den Text huschen, stößt er diesen Laut auf immer höher und länger klingende Art aus. „Ich sehe“, sagt er dann, „dieser junge Mann namens der Hübsche -“, er schaut kurz auf und mustert mich, „naja. Ansichtssache – soll mir bei meinen alchimistischen Experimenten helfen. Darf ich fragen, ob er von Alchimie überhaupt etwas versteht?“

„Noch nicht“, antwortet der Maitre, „aber wir vertrauen da ganz auf Eure didaktischen Fähigkeiten.“

Manacardi braust auf: „Ich soll meine kostbare Zeit damit verschwenden, einen Hanswurst anzulernen, der von der Materie keine Ahnung hat, mir ständig im Weg herumsteht und mich wahrscheinlich mit dummen Fragen löchert?“

„Ganz recht“, sagt der Maitre mit einem gefährlichen Lächeln. „Zunächst allerdings, werter Meister, solltet Ihr ihm erstmal das Lesen beibringen – falls Eure Zeit es Euch erlaubt, die Ihr hinfort sicherlich vorwiegend der Sicherung der Landesgrenzen widmen werdet, wie ich annehme.“

 

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