Neue Lyrik



 

Bärenhatz (Neulich in Rumänien)

 

Das Smartphone zuckt, Alarmton schrillt.

Extremwarnung, es herrscht Gefahr!

Türen, Fenster lasst geschlossen!

Womöglich wird auch bald geschossen.

 

Die WhatsApp-Gruppe hat enthüllt:

Im Garten wurde man gewahr,

dass ein Meister Petz dort streunt,

den Müll frech aus den Tonnen räumt.

 

Volk nun aus allen Häusern quillt,

und das ist etwas sonderbar,

denn jeder sollte doch beachten,

was zur Kenntnis Ämter brachten:

 

Bleibt daheim, im Hause chillt!

Doch sind Verstandes, Vorsicht bar

alle, die das Handy zücken

und zur Bärenhatz ausrücken.

 

Ein jeder will vom Petz ein Bild,

am liebsten nah, unmittelbar.

Das ist ein Rennen, Eilen, Hasten

mit allen Fingern auf den Tasten!

 

Am Rande der Safari füllt

ein alter Schäfer, dem dies Jahr

den Hammel riss der Bär,

Patronen in sein Schießgewehr,

 

dieweil er in die Menge brüllt:

„Geht nach Hause, Narrenschar!

Steht am Strick noch eure Ziege?

Liegt das Kind noch in der Wiege?“

 

Der Alte kennt den Bären wild,

wie der es schon immer war.

Die Leute, viele aus der Stadt,

hat er aber mehr noch satt.

 

Die haben verbaut, vermüllt

Hänge, Weiden, jedes Ar.

Nun, wo soll der Bär dann hin?,

fragt er sich mit Widersinn.

 

Seiner Waffe Lauf er zielt

nur ganz kurz dann auf ein Paar,

das sitzt auf einem ATV;

Er mit Action-Cam, und Sie

 

ist Influencerin, gefühlt.

„OMG, wie wunderbar!

Ein echter Bär, das ist so krass!“

Sie kichert ohne Unterlass.

 

Dann gibt Er Gas, und sie sind weg.

Der Schäfer wischt sich aus den Augen Dreck.

Er senkt nun sein Gewehr verdrossen,

hat sein Pulver längst verschossen.

 

Erstmals wünscht er dem Bären Glück,

irgendwo vom Wald ein Stück.



Frühling


Liebe Welt, wo willst du hin?

Du grünst nun wie seit Anbeginn.

Unkraut war zwar  immer drin,

zwischen allen Tulpen, Gurken.

Doch gedeihen Nulpen, Schurken

mehr als früher üblich,

und der Ausblick stimmt betrüblich.


Liebe Welt, ich nähm‘ es hin,

stünd‘ nach Untergang dein Sinn,

weil ich etwas älter bin.

Hab dich schon oft blühen seh‘n,

jeden Frühling doppelt schön.

Ohne dich käm‘ ich zurecht,

denn mein Leben war nicht schlecht.


Liebe Welt, wärst du bald hin,

dann wär es nicht für mich so schlimm,

und ich schiede ohne Grimm.

Doch ich kenne kleine Leute,

die sollen haben mehr als Heute.

Also denke mal an die.

Und fick‘ die Schurken gern ins Knie.



Daddy

 

Bist du hinterhältig, feig und dumb,

könnt‘ es sein, dein Pa war Trump.

Hat man dir ins Hirn geschissen,

niemand dir vererbt Gewissen,

hast du alles mitgebracht

für den Zugriff auf die Macht.

 

Du schubstest Schwächere herumb,

als Kind, das mochte Senior-Trump.

Der hat deine Moral verschlissen.

Deshalb bist du so verbissen:

Nachfolger bei Tag, bei Nacht,

des Schurken, der dich hat gemacht. 



Alte weiße Männer


Alten Männern fehlt viel Haar.

Dort, wo früher dichtes war,

sind die Restbestände weiß.

Das macht keine Frau mehr heiß.

 

Hat man es zu was gebracht,

so als alter weißer Mann,

heißt es oft, man habe Macht,

wende sie zum Bösen an.

 

Mir ist nichts davon bekannt

für den Typ in meinem Spiegel,

vor dem ich heute weggerannt,

das Ebenbild bekam mir übel.

 

Ist nicht schön,

sich alt zu seh’n.

Schwerlich schickt man sich hinein,

braucht keine Schmach noch obendrein.

 


 

Nacht-Trump

 

Gerade kam der Trump zu mir.

Ich lag im Bett, es ging auf Vier.

Meine Brust, sie wurde schwer;

als Nachtmahr kniete er auf ihr.

Trumpophierend sagte er,

 

dass nun nicht mehr viel dran fehle,

bis es aus sei und vorbei

mit der ganzen Narretei

von Willensfreiheit und Moral:

Fortan gälten nur Befehle,

Speichelleckerei zumal.

 

Schweißgebadet wach' ich auf.

Der Kerl kniet trotzdem auf mir drauf.

 


 

Parteitag

 

Dieselben hohlbekannten Phrasen.

Die gleichen hochgereckten Nasen.

Der Parteitag klatscht im Stehen.

Man will sich schließlich wiedersehen.

 

Am besten nächstes Mal ganz vorn,

auf der Bühne - Namensschild!

Dafür schluckt man manchen Zorn,

für das langersehnte Bild:

 

Ich jetzt im Präsidium!

Demnächst: Ministerium!

Also heißt es applaudieren,

die Parolen apportieren.

 

Nur sie dann ins Volk zu bringen,

im "Bürgertalk", am Wahlkampfstand -

das will bisweilen nicht gelingen,

ist man auch schon halbbekannt.

 

Da geht der Bürger frech vorbei,

denn es ist ihm einerlei.

Was will er denn, wo geht er hin,

womöglich nur im Eigensinn?

 

Er denkt an sich, wie's vorgemacht

von jenen, die ihn woll'n vertreten.

Und das hat nun hervorgebracht

ein einig Volk von steten

 

Recht(s)habern, Denunzianten,

böhzen Onkelz, Kaffeetanten,

weiteren Repräsentanten

der Zeiten, die wir schon mal kannten;

 

damals, als zerbrach,

was Demokratie versprach.

 


 

Deutsche Oper

 

Bei uns hing noch das Lametta,

da ging’s zu Mimi und Musetta.

Wir wollten unbedingt mal wieder hin,

in das alte West-Berlin.

 

Deutsche Oper, „La Bohèmè:

Es traf sich dort Crème de la Crème,

verwitwet einst in Wilmersdorf,

im Dekolleté ein wenig Schorf.

 

Diverse Honoratioren

liehen Puccini auch die Ohren.

Nobel war’s wie ehedem,

und die Mimi starb so schön:

 

Armes Ding mit TBC.

Doch die tat offenbar kaum weh:

Zum Singen hatte Mimi Luft,

auf dem ganzen Weg zur Gruft.

 

Sie hat das alles fein gesungen.

Den Zuhörern schien es gelungen.

Ganz anders war die Weltpremiere,

brachte Puccini wenig Ehre.

 

Da regte sich kein einz‘ges Händchen,

eiseskalt blieb’s Publikum.

Zuhause wieder, unterm Tännchen,

denken wir uns: schade drum.